2001
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Jürgen Doll, « « La vie est un songe », version actuelle. A propos de Bestien im Frühling de Monika Helfer », Austriaca : Cahiers universitaires d'information sur l'Autriche (documents), ID : 10.3406/austr.2001.4363
In Monika Helfers erstem abendfüllenden Stück Bestien im Frühling hat ein Beamter sein Heimbüro in eine Folterkammer umgebaut. Dort hält er eine junge rauschgiftabhängige, rothaarige Stricherin gefangen, der er sich unter den neidischen Blicken seiner Frau als Hund nähert, während diese in der blitzsauberen Küche das Abendessen bereitet. Nur eine Tür trennt das Normalidyll von der Kerkerzelle. Während das Mädchen davon träumt, eine Hausfrau zu sein, phantasiert sich die Hausfrau in die Rolle der rothaarigen, von ihrem Mann begehrten Verführerin. Anstatt sich gegen den Unterdrücker zu solidarisieren, will jede nur den Platz der anderen an dessen Seite einnehmen. Wer hier Täter und wer Opfer ist, ist am Ende nicht mehr leicht zu sagen. Bestien im Frühling, das ohne Unterbrechung seinem blutigen Ende entgegenstrebt, entfaltet eine verwirrende Stimmenpartitur, deren Wiederholungen, litaneihaften Repliken, rituellen Gesänge sowie dichtes Metaphemgeflecht das Stück strukturieren. Es hält sich durchgehend in der Schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit, Wunschphantasien und deren Realisierung, Angstvorstellungen und wirklichem Terror, wobei abgründiger Witz und makabre Satire jedes rein tragische Verständnis ausschließen. Die sehr stilisierte, abgehobene Sprache entrückt das Stück zunehmend der Wirklichkeit und nähert es der Pseudo Wirklichkeit televisueller Talkshows an. Dabei rückt das Publikum in die Rolle der kontrollierenden Öffentlichkeit, da sich die Personen in ihren Monologen direkt an die Geschworenen eines imaginären Gerichts wenden, dem die Beurteilung dieser Dreieck-Groteske anheimfallt.