19 décembre 2017
Ce document est lié à :
info:eu-repo/semantics/reference/issn/1862-5886
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ , info:eu-repo/semantics/openAccess
Martin Radermacher, « Hermann Hesse – Monte Verità », Zeitschrift für junge Religionswissenschaft, ID : 10.4000/zjr.710
Auf dem Monte Verità im schweizerischen Ascona trafen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Lebensreformer, Künstler, Schriftsteller und Aussteiger, um mit alternativen Lebensentwürfen zu experimentieren, die in Opposition zur bürgerlich-konservativen Gesellschaft formuliert wurden – unter ihnen auch Hermann Hesse. Man findet dort Vorläufer von Ideen, die in der Religionswissenschaft heute unter den Stichworten »Unsichtbare Religion«, »believing without belonging«, »Neue Religiöse Bewegungen« oder »New Age« auf breiter Front erforscht werden. Das Beziehungsgeflecht »Hermann Hesse und der Monte Verità« verrät viel über eine Diskussion um die Fragen: Wie werden Gegenentwürfe zum Mainstream ausgehandelt und kommuniziert? Wie geht der Mensch mit einer wahrgenommenen »Beschleunigung« und »Sinnentleerung« der Gesellschaft um? Wie ist individuelle Sinnsuche und Sinngebung jenseits von institutionalisierten Religionsgemeinschaften möglich? Fasten und Askese, das »Zu-sich-selbst-Finden« in freiwilliger Entbehrung, die Adaption außerchristlicher Soteriologien – all das sind Formen individueller Sinnsuche, die um 1900 an den Rändern der Gesellschaft entstanden. Hermann Hesse gehört zu jenen, die sich an die Grenzen der Gesellschaft begaben, um das Für und Wider alternativer Lebensformen zu erproben. Seine biografisch inspirierten Erzählungen spiegeln die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Aussteigern und Sozialreformern, mit »barfüßigen Propheten« und »Kohlrabiaposteln« wider.