2016
Emmanuel Faye, « Eric Voegelins Haltung zum Nationalsozialismus. Überlegungen zum Briefwechsel Krieck-Voegelin (1933-1934) », HAL-SHS : sciences politiques, ID : 10670/1.czqnzi
Emmanuel Faye (Rouen) geht in Eric Voegelins Haltung zum Nationalsozialismus. Überlegungen zum Briefwechsel Krieck–Voegelin (1933 - 1934) auf zwei Aspekte der Forschung Voegelins ein. Zum einen auf seine Schriften zur Rassenfrage (1933 - 1935), die auch vom Dichter Stefan George und dessen Kreis inspiriert waren. Dabei stellt Faye sich die Frage, ob die Voegelinsche Rassenkonzeption wirklich als Kritik am Nationalsozialismus zu verstehen sei, wie es die bisherige, apologetische Voegelin-Rezeption oftmals postulierte. Zum anderen wird der Briefwechsel Voegelins mit Alfred Baeumler und Ernst Krieck (diese Briefe werden im Tagungsband zum Teil erstmalig abgedruckt) thematisiert, der Voegelins Wunsch nach einer akademischen Anstellung im nationalsozialistischen Deutschland erkennen lässt. Die zunächst erhoffte Anstellung Voegelins bei Baeumler in Berlin zerschlug sich; letzterer wies auf das wissenschaftliche Verhältnis von Voegelin zu Hans Kelsen als das entscheidende Hindernis hin. Voegelin lernte daraus für den sich anschließenden Briefwechsel mit dem Rektor der Universität Frankfurt, Ernst Krieck. Dieser zeigte sich mit den Ausführungen Voegelins hinsichtlich seiner Rassenkonzeption einverstanden – Voegelin propagierte in seinen Schriften die Rassenidee sowohl als Werkzeug zur „Sinndeutung des eigenen Lebens und des weiteren Lebens der Gemeinschaft“ als auch zur „Gestaltung der Gemeinschaft“. Damit verletzte er jedoch das Gebot der wissenschaftlichen Neutralität, so das Urteil Fayes. Krieck jedoch erkundigte sich nach den näheren Verhältnissen Voegelins, woraufhin dieser nicht nur seine arische Herkunft nachwies, sondern auch sein Verhältnis zu Kelsen explizierte, ja sogar rechtfertigte. Obwohl Voegelin der Assistent des jüdischstämmigen Kelsens gewesen war, verleugnete Voegelin seine wissenschaftliche Beziehung zu Kelsen gegenüber Krieck: Voegelin schrieb, er habe niemals in „politischer und wissenschaftlicher Beziehung Kelsen nahe“ gestanden und wies eine wissenschaftliche Beeinflussung durch seinen ehemaligen Lehrer eindeutig zurück. Die Beziehung zu Kelsen als Hypothek wahrzunehmen hatte Voegelin das negative Antwortschreiben Baeumlers gelehrt. Allerdings wird Voegelin 1973 erklären, dass es zwischen ihm und Kelsen niemals Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der grundsätzlichen Gültigkeit der Reinen Rechtslehre gegeben habe; vielmehr seien die Differenzen unter anderem aus dem von Kelsen abgelehnten Georgeanischen Einfluss entsprungen. Faye führt aus, dass Voegelin nicht nur inhaltlich (durch seine wissenschaftlichen Texte) der NS-Ideologie nahestand als auch, sondern auch, getragen von seinem Verlangen nach einer Universitätslaufbahn, auf die akademischen NS-Ideologen aktiv zuging und dabei ihre rassischen Erwartungen (auch ihn selbst betreffend) bediente. Faye weist darauf hin, dass schon Aurel Kolnei 1938 Voegelins Beitrag zur Rassifizierung des Wissenschaftskonzepts erkannt habe. Der Beitrag Fayes zeigt damit nicht nur Voegelins Lavieren auf, seine Versuche, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, sondern auch, wie weit die Zugeständnisse an die politische Realität um einer Anstellung willen gehen konnten.