Epistemische Sicherheit - Zur Rolle wissenschaftlicher Expertise in chronischen Krisen

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14 mars 2024

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ITA (Hrsg.), « Epistemische Sicherheit - Zur Rolle wissenschaftlicher Expertise in chronischen Krisen », Elektronisches Publikationsportal der Österreichischen Akademie der Wissenschafte, ID : 10670/1.uezgd2


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Der größte Unterschied zwischen der COVID-19-Pandemie und früheren Seuchen (wie der Pest) besteht im Primat der Wissenschaft. Es ist nicht mehr die Religion, die die maßgeblichen Deutungen der Krankheit liefert sowie die verbindlichen Rituale und Symbole der Krisenbewältigung zur Verfügung stellt. Schon im 19. Jahrhundert, mit der Entwicklung der medizinischen Mikrobiologie durch Louis Pasteur und Robert Koch, lief die Wissenschaft der Religion endgültig den Rang als maßgebliche Interpretin von Seuchen ab. Die damit einhergehende Entmystifizierung spiegelt sich nicht zuletzt in den schmucklosen Akronymen, mit denen Seuchen jüngeren Datums bezeichnet werden (HIV, MERS-CoV, SARS-CoV, BSE). Auch der geheimnisvolle „schwarze Tod“ wurde als bakterielle Infektionskrankheit enträtselt. Es ist darum kein Wunder, dass die Wissenschaft in der COVID-19-Krise eine politische Führungsrolle erhielt – ähnlich wie auch in der Klima-Krise. Die immense Bedeutung wissenschaftlicher Expert:innen für die Interpretation einer völlig neuartigen und unübersichtlichen Situation machte sie für das politische Krisenmanagement unentbehrlich. Gleichzeitig geriet die Wissenschaft auf diese Weise auch ins Zentrum öffentlicher Auseinandersetzungen. In dem Maße, wie sich Konflikte an der Frage nach der richtigen Corona-Politik festmachten, wurde auch die Rolle der Wissenschaft hinterfragt. Dabei ging es vor allem um die Beratungsfunktion der Wissenschaft. Es wurde zum kontroversen Thema, welche Expert:innen eigentlich die Politik beraten, wie die Beratungsgremien eingerichtet und welche Funktion sie für die Politik haben sollten. Dieser Bericht über das FFG-geförderte Projekt „Epistemische Sicherheit“ (EPISTEMIS) reagiert auf diese Grundsatzfragen zu Organisation und Funktion wissenschaftlicher Politikberatung. Wir fragen danach, welche Form wissenschaftlicher Expertise den Anforderungen komplexer Krisen entspricht. Was sollte man mit Blick auf die Organisation und politische Verwendung wissenschaftlicher Expertise berücksichtigen, damit sie zu einer Bereicherung des demokratischen Erwägungsprozesses wird? Zwecks empirisch begründeter Antwort auf diese Kernfrage haben wir untersucht, wie COVID-19-spezifische Expertise in Österreich organisiert, produziert und politisch genutzt wurde. Dabei haben wir die auf Österreich bezogenen Erkenntnisse auch mit Erfahrungen in anderen Ländern kontrastiert (Deutschland, Großbritannien). In politisch-praktischer Hinsicht wird daraus deutlich, welche besondere Herausforderung chronische Krisen (wie eben die Pandemie oder die Klimakrise) für die institutionelle Politikberatung darstellen – und welchen Reformbedarf diese besondere Situation für die gegenwärtige Praxis formuliert.

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