2012
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Heidemarie Uhl, « Vom Nachkriegsmythos zur Ethik der Erinnerung: Transformationen der Erinnerungskultur in Europa von 1945 bis zur Gegenwart », Revue d'Allemagne et des pays de langue allemande (documents), ID : 10670/1.voqu5l
Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde Gedächtnis zu einem Leitmotiv wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesses. Die „Epoche des Gedenkens“ (Pierre Nora) korreliert mit einem geschichtspolitischen und erinnerungskulturellen Paradigmenwechsel : Dem Zerbrechen der europäischen Nachkriegsmythen, in denen die jeweilige Nation als unschuldiges Opfer der nationalsozialistischen Fremdherrschaft interpretiert wurde – damit konnte die Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes „ externalisiert“ werden. Am Ende der 1980er Jahre beginnt sich die Anerkennung des Holocaust als „Zivilisationsbruch“ (Dan Diner, 1988) in der Geschichte Europas und darüber hinaus der Moderne durchzusetzen. Zugleich wird die Frage der Mitverantwortung der europäischen Gesellschaften an der Durchführung des Judenmords virulent. Die These, dass das Projekt Europa „aus den Krematorien von Auschwitz“ erbaut (Tony Judt, 2005) sei, steht seither im Zentrum europäischer Erinnerungskultur. Demgegenüber steht der Versuch, Nationalsozialismus und Kommunismus unter dem Begriff des Totalitarismus gleichzusetzen. Die beiden von der EU deklarierten Gedenktage – der Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner und der 23. August, der Tag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts 1939, als Gedenktag für die Opfer aller totalitären und autoritären Regime – repräsentieren die gegenwärtigen Konflikte des europäischen Gedächtnisses.